Die ordentliche Sitzung der Spandauer BVV am 28. März 2012 war geprägt vom Thema Groß Glienicker See. Zur Abstimmung stand der mit den Stimmen von SPD und GAL im Grünausschuss verabschiedete SPD-Antrag „Wanderweg Groß Glienicker See“, mit dem das Bezirksamt beauftragt wird, für mehr Ufer- und Gewässerschutz zu sorgen sowie die planungsrechtlichen Voraussetzungen für einen öffentlichen Wanderweg zu schaffen. Das Interesse der betroffenen Seeanrainer/innen war groß: Neun Einwohneranfragen wurden zur Thematik eingereicht. Auf Antrag der GAL-Fraktion wurde über den Antrag unmittelbar nach Beantwortung der Einwohnerfragen debattiert und abgestimmt.
Bezirksamt beantwortet Einwohnerfragen
Die neun Einwohnerfragen hatten unterschiedliche Zielsetzungen und Schwerpunkte, zu denen das Bezirksamt Stellung nahm. Festzuhalten sind folgende Aussagen, die von der GAL nicht infrage gestellt werden:
=> Die europäische Wasserrahmenrichtlinie schreibt vor, dass der See in einen guten Zustand gebracht werden muss.
=> Einen Zusammenhang zwischen dem gesunkenen Wasserstand und einer möglichen Wasserentnahme für private Zwecke sieht das Bezirksamt nicht.
=> Der mehrfach tagende Runde Tisch hatte hauptsächlich die Stege thematisiert. Er wurde ausgesetzt, nachdem eine einvernehmliche Lösung nicht gefunden werden konnte.
=> Dem Bezirksamt liegen keine Steggenehmigungen vor. Der Bezirk muss davon ausgehen, dass kein Steg genehmigt ist.
=> Schon in den 60er und 70er Jahren gab es Pläne für eine öffentlich zugängliche Grünanlage am Spandauer Ufer des Groß Glienicker Sees. Die Pläne wurden seinerzeit nicht weiterverfolgt.
=> Die möglichen Kosten für einen Uferweg liegen dem Bezirksamt nicht vor. Eine Einschätzung erfolgt erst im Bebauungsplanverfahren. Auch Zahlen über die möglichen Nutzer/innen eines Wanderweges liegen nicht vor.
=> Eine Rechtsgrundlage für die befürchteten Enteignungen gibt es nicht. Ein festgesetzter Bebauungsplan würde dem Bezirksamt ein Vorkaufsrecht bei Grundstücksveräußerungen einräumen.
Beschlussempfehlung zum Groß Glienicker See in namentlicher Abstimmung angenommen
In der sich anschließenden Debatte über die Beschlussempfehlung „Wanderweg Groß Glienicker See“ begründete Gaby Schiller den Antrag ihrer Fraktion. SPD und GAL wollen einerseits ein Zeichen setzen für das ökologische Gleichgewicht des Sees, andererseits die Planungen für einen Wanderweg in Gang bringen. Zurecht verwies Frau Schiller darauf, dass ein Antrag der SPD zum Entfernen der Stege in der vergangenen Wahlperiode von CDU, FDP und Panthern abgelehnt wurde. Dabei war schon damals bekannt: Aus rechtlichen Gründen gab und gibt es keine Zweifel daran, dass die Stege illegal sind.
Für die CDU-Fraktion erklärte Arndt Meißner, dass die Einwohnerfragen wie von ihm vorausgesagt keine Beteiligung der Bürger/innen bedeuten. Er warf dem Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank vor, sich „wegzuducken“, obwohl seine SPD-Abteilung den Wanderweg vorantreibt. Die CDU-Fraktion werde gegen diese „schwerwiegende Entscheidung“ stimmen. Er beantragte die Rücküberweisung in den Grünausschuss.
Der zuständige Fachausschuss hatte sich auf seiner Sitzung am 21. März 2012 ausgiebig mit dem Thema beschäftigt und mit den Seeanrainern/innen intensiv diskutiert. Darüber hinaus gab es mehrere Jahre lang Diskussionen auf den Sitzungen des Runden Tisches. Daher lehnte die GAL-Fraktion eine Rücküberweisung ab.
Die GAL-Fraktion verwies auf die beiden Aspekte, die in dem Antrag enthalten sind. Die Forderung, Stege und Uferbefestigungen zu entfernen sowie einen Uferstreifen von 15 Metern Breite von jeglicher Nutzung freizuhalten, sei richtig. Die derzeitige Nutzung ist nach Ansicht der GAL-Fraktion mit folgenden Gesetzen nicht vereinbar:
=> Berliner Wassergesetz
=> Wasserhaushaltsgesetz
=> Berliner Naturschutzgesetz
=> Europäische Wasserrahmenrichtlinie
Insbesondere mit der Wasserrahmenrichtlinie stellte die EU vor über 10 Jahren den Gewässer- und Grundwasserschutz in den Mittelpunkt. Auch in Spandau gilt die Verpflichtung, alles zu tun, um die Wasserqualität in Seen und Flüssen zu verbessern bzw. einen bereits erreichten guten Zustand zu sichern. Das übergeordnete Ziel des Gewässerschutzes hat dazu geführt, dass die private Nutzung von Grundstücken an naturnahen Gewässern einzuschränken ist.
Langfristig wird ein naturnaher Uferstreifen dazu beitragen, dass auf öffentliche Gelder zur Si-cherung der Wasserqualität (z. B. Belüftungsanlage) verzichtet werden kann. Eine zum Uferbereich passende Vegetation mit standortgerechten Pflanzen und ein geschlossener Röhrichtgürtel stärken die Selbstreinigungskräfte des Sees.
Die GAL-Fraktion erklärte, dass sie die Forderung nach einem Wanderweg unterstützt, da hierfür ein öffentliches, übergeordnetes Interesse vorliegt. Allerdings werden wohl Jahrzehnte vergehen, bis der Bezirk die erforderlichen Flächen aufgekauft hat.
Auf die Forderung nach Rücküberweisung in den Grünausschuss entgegnete der SPD-Fraktions-vorsitzende Christian Haß, dass dies eine Hinhaltetaktik der CDU sei. Der CDU-Antrag wurde mehrheitlich von SPD, GAL und dem Einzelverordneten der Linken abgelehnt.
Bei der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung „Wanderweg Groß Glienicker See“ stimmten die Fraktionen von GAL und SPD sowie der Einzelverordnete der Linken mit Ja, die CDU-Fraktion und zwei Piraten mit Nein. Ein Pirat enthielt sich der Stimme. Bei einem Stimmenverhältnis von 27:25:1 wurde die Beschlussempfehlung angenommen.
Unterschiedliches Abstimmungsverhalten zu CDU-Prüfantrag
2 x Ja, 4 x Nein: Die GAL-Fraktion stimmte bei einem Prüfantrag der CDU-Fraktion unterschied-lich ab. Das Bezirksamt soll prüfen, ob durch eine kommerzielle Vermarktung der Werbeflächen des Bezirkes eine bessere Auslastung und höhere Einnahmen erzielt werden können. Die mehrheitliche Ablehnung durch GAL-Fraktionäre/innen begründete Franz-Josef Bayer u. a. damit, dass es ein Irrweg sei, Aufgaben des Bezirksamtes an Private zu übergeben. Mehreinnahmen würden in erster Linie an das beauftragte Unternehmen fließen, nicht aber an den Bezirk. Für die GAL kündigte er an, dass zwei Fraktionäre das Prüfungsergebnis vor einer Meinungsbildung abwarten wollen. Die Fraktion der SPD kündigte an, den Prüfauftrag abzulehnen.
Für die CDU-Fraktion warf Arndt Meißner der Zählgemeinschaft vor, durch die Ablehnung von Prüfanträgen nun „Denkverbote“ zu erlassen. Die GAL stellte richtig, dass sie auch in der Vergangenheit Prüfanträge abgelehnt hatte, wenn sie dem eigentlichen Inhalt des Antrages nicht zustimmt. Für die SPD-Fraktion ergänzte Jens Julius, dass auch die CDU in der vergangenen Wahlperiode mehrfach Prüfanträge abgelehnt hat. Für die Piraten warf Lasse Kosiol der Zählgemeinschaft vor, den Antrag nur deshalb abzulehnen, weil als Initiator die CDU genannt ist. Auf die inhaltliche Begründung von GAL und SPD ging er nicht ein.
Mit den Stimmen von CDU, Piraten sowie zwei GAL-Bezirksverordneten wurde der Prüfantrag der CDU angenommen.
Behindertentoilette im Rathaus: Nutzung mit Elektrorollstuhl nicht immer möglich
Die Behindertentoilette im Untergeschoss des Rathauses ist für Fahrer/innen von Elektrorollstühlen ohne fremde Hilfe meist nicht zu benutzen. Der Grund ist, dass in dem Raum eine Reinigungsma-schine des Rathauses mit Strom aufgeladen wird. Sie ist so groß, dass ein Rangieren mit dem Elektrorollstuhl nicht möglich ist.
Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank erklärte, dass es keinen anderen Parkplatz für die Reinigungsmaschine gebe. Nach dem Hinweis der GAL, dass ein Besuch der Toilette mit einem Elektrorollstuhl nicht möglich ist, versprach er, sich persönlich um eine Lösung zu kümmern.
Debatte um Hundekot
Die CDU-Fraktion wollte wissen, ob Falschparker aus Sicht des Bezirksamtes schlimmer sind als Hundekot. 2011 wurden in Spandau mehr als 90.000 Knöllchen für falsches Parken, aber nur 8 für nicht entfernte Hundehaufen ausgestellt. CDU-Fraktionsvorsitzender Arndt Meißner erklärte, dass die CDU „Schwerpunktaktionen“ gegen Hundekot erwartet.
Bezirksstadtrat Stefan Machulik (SPD) begründete die ungleichen Zahlen damit, dass Hundekot anders als Autos kein Kennzeichen hat, die Beweislast aber beim Bezirksamt läge. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass sich die 8 engagierten Parkraumüberwacher/innen, die allein über 44.000 Knöllchen ausgestellt haben, aus rechtlichen Gründen nicht um Hundekot kümmern dürfen.
Ehemaliger Auswandererbahnhof mit neuem Besitzer
Das letzte bestehende Gebäude des ehemaligen Auswandererbahnhofs an der Freiheit hat seit 1. März 2012 einen neuen Besitzer. Dies teilte Bezirksstadtrat Carsten Röding (CDU) auf Anfrage der SPD-Fraktion mit. Der neue Eigentümer wisse um die historische Bedeutung und bemüht sich, zumindest Teile des einsturzgefährdeten Gebäudes zu erhalten.
Auf Nachfrage der GAL, ob ein beschlossener Antrag von 2010 bereits umgesetzt sei und das Kul-turamt Kontakt zu den Auswandererhäusern in Hamburg und Bremerhaven aufgenommen hat, konnte der zuständige Bezirksstadtrat Gerhard Hanke (CDU) spontan nicht antworten.
Die GAL-Fraktion hatte vor rund eineinhalb Jahren angeregt, mit den großen Auswanderermuseen zusammenzuarbeiten und diesen historischen Ort angemessen zu würdigen. Millionen meist osteuropäischer Emigrant/innen wanderten Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts über Hamburg oder Bremerhaven nach Amerika aus. Im Auswandererbahnhof an der Freiheit prüften die deutschen Behörden ihre Papiere und den Gesundheitszustand.
Im ersten Weltkrieg war das Gebäude Teil des Internierungslagers für britische Staatsbürger, das auf der nicht mehr bestehenden Trabrennbahn Ruhleben 1914 eingerichtet wurde.
Gesundheitsberichterstattung seit einem Jahr eingestellt
Seit Januar 2011 erfolgt in Spandau keine Gesundheitsberichterstattung mehr. Hierüber informierte Gesundheitsstadtrat Jürgen Vogt (CDU) auf Anfrage der GAL. Grund ist die angespannte Personalsituation. Derzeit sind nur noch zwei Mitarbeiter/innen im Arbeitsfeld Gesundheits- und Sozialberichterstattung tätig, eineinhalb weitere Stellen sind beantragt.
Die GAL-Fraktion wies auf den dringenden Handlungsbedarf hin: Die Senatsverwaltung geht von einem Bedarf von 7,75 Stellen aus. Vor einem Jahr wurden 4,5 Stellen vom Bezirksamt angestrebt, jetzt nur noch 3,5. Aktuell besetzt sind lediglich 2 Stellen. Bemerkenswert ist, dass Jürgen Vogt im Haushaltsausschuss erklärt hatte, dass er einen höheren Personaletat für seinen Geschäftsbereich für nicht notwendig hält.
Spandauer Schulentwicklungsplan nicht in Sicht
Bezirksstadtrat Gerhard Hanke (CDU) sieht sich weiterhin außer Stande, einen bezirklichen Schul-entwicklungsplan aufzustellen. Auf Anfrage der GAL teilte er mit, dass die Arbeiten der Senats-verwaltung zur Aufstellung eines Schulentwicklungsplanes für das Land Berlin im vergangenen Jahr unterbrochen wurden, da die Rahmenbedingungen nicht klar seien. Ohne Rahmenvorgaben und ohne zusätzliches Personal werde das Bezirksamt keinen Schulentwicklungsplan vorlegen. Als Beispiel für fehlende Rahmenbedingungen nannte Gerhard Hanke, dass unklar sei, wie vieleSchüler/innen mit Behinderung im Rahmen der Inklusion in einer Klasse unterrichtet werden sollen. Darauf-hin erklärte die SPD-Bezirksverordnete Annika Lange, dass zusätzliche Rahmenbedingungen gar nicht erforderlich sind, wenn die UN-Konvention zur Inklusion dem Bezirksamt bekannt wäre. Andere Bezirke seien durchaus in der Lage, Schulentwicklungspläne zu erstellen.