BVV-Bericht vom 31. Oktober 2012

Eine mehr als zweistündige Debatte zum Interessenbekundungsverfahren und zur Finanzierung der Einrichtungen „Familie im Zentrum“ (FiZ) stand im Mittelpunkt der Oktober-Sitzung der Spandauer BVV. Dabei ging es um den Vorwurf, dass der zuständige Bezirksstadtrat Gerhard Hanke (CDU) 120.000 Euro aus Senatsmitteln verschenkt habe, indem er gegenüber der Senatsverwaltung eine Weiterfinanzierung der bestehenden FiZe aus dem Bezirkshaushalt zugesagt habe.

Die GAL-Anträge „Ein Kranz für die Märzgefallenen“, „Schiedsamt bekannter machen“ sowie „Flugbewegungen in Tegel verringern“ wurden von der BVV einstimmig angenommen. Die übrigen Anträge werden in den Fachausschüssen behandelt.

Widersprüchliche Aussagen: Dringlichkeitsanfrage zu Atommülltransport

In der Juni-BVV erhielt die GAL-Fraktion auf ihre Anfrage zum Atommülltransportschiff „Edo“ die Auskunft, dass das Schiff Anfang Juni auf dem Weg von Obrigheim nach Lubmin gar nicht durch Spandau gefahren sei, obwohl zahlreiche Augenzeugen es oberhalb der Schleuse gesehen hatten. In der Antwort auf eine ähnliche Anfrage im Abgeordnetenhaus bestätigte jetzt der Senat, dass das Schiff die Nacht vom 1. auf den 2. Juni in Spandau verbrachte. Zu diesen sich widersprechenden Aussagen stellte die GAL nun eine Dringlichkeitsanfrage, die auf Bitte des Bezirksamtes schriftlich beantwortet wird.

Gedenken an die Revolution vom 18. März 1848

Gemäß des Beschlusses wird sich das Bezirksamt ab 2013 an der jährlichen Gedenkveranstaltung am Brandenburger Tor zur Märzrevolte vom 18.03.1848 mit einem Kranz beteiligen. Mehr als 500 Gefangene wurden nach der Niederschlagung am 19. März frühmorgens vom Berliner Schloss auf die Zitadelle getrieben und dort für einen Tag inhaftiert.

Winterflugplan Tegel ohne Verbesserung für Fluglärm-Betroffene

Mit dem Beginn des Winterflugplanes am 28. Oktober 2012 verlagerte die Lufthansa-Tochter Germanwings mit Genehmigung der Senatsverwaltung ihre Flugbewegungen von Schönefeld nach Tegel. Dadurch wurde eine erneute Beschlussfassung gegen Fluglärm erforderlich. Die in den Flugschneisen Tegels lebenden Berlinerinnen und Berliner werden nach dem verkehrsreichen Sommer zusätzlich belastet. Daher soll sich das Bezirksamt nun dafür einsetzen, dass die zusätzlichen Flüge zurück nach Schönefeld verlagert werden.

Die Entscheidung von Germanwings ist inakzeptabel: Im September 2012 wurden rund 16.000 Flugbewegungen in Tegel abgewickelt, aber nur rund 6.800 in Schönefeld. Eine gerechtere Verteilung der Lärmbelastung ist daher dringend erforderlich. Diese Ansicht wurde von den übrigen Fraktionen sowie dem Einzelverordneten der Linken geteilt.

Arbeit der Schiedsfrauen und -männer bekannter machen

In der Diskussion zur Zusammenlegung von Schiedsamtsbezirken in Spandau stellte sich erneut heraus, dass die seit 60 Jahre bewährte Arbeit der Schiedsfrauen und -männer in Deutschland im Bezirk Spandau zu wenig bekannt ist. Das Bezirksamt wird auf Initiative der GAL nun prüfen, wie das Schiedsamt bekannter gemacht werden kann und wie eine frühzeitige Einbeziehung z. B. bei Nachbarschaftsstreitigkeiten möglich ist.

Mehr Sicherheit für Staakener Kinder

Das Anliegen des Bezirkselternausschusses Kita für mehr Sicherheit für Kita- und Schulkinder wurde von allen BVV-Fraktionen und dem Einzelverordneten der Linken unterstützt. Das Bezirksamt hat jetzt den Auftrag zu prüfen, wie Kita- und Schulkinder die Verlängerung des Brunsbütteler Damms sicherer überqueren können.

GAL-Fraktion erweitert WLAN-Prüfauftrag

Die Piraten machten jetzt mit einem Prüfauftrag einen erneuten Vorstoß zur Einführung eines bezirklichen Rathaus-WLAN-Netzes, dieses Mal allerdings nur für Bezirksverordnete und Bürgerdeputierte. Der Prüfauftrag, der zu keiner Umsetzung führt, wurde von der GAL erweitert. Neben dem finanziellen soll nun auch der organisatorische Aufwand für die Einrichtung und den Betrieb sowie die rechtlichen Voraussetzungen geprüft werden. Der organisatorische Aufwand und die rechtlichen Bedingungen wurden im Ursprungsantrag der Piraten nicht berücksichtigt.

Die Fraktion erhofft sich aus dem Prüfergebnis Aufschluss über die ihrer Ansicht nach ungeklärte Frage der rechtlichen Zuständigkeit bei missbräuchlicher Nutzung eines vom Bezirksamt eingerichteten WLAN-Netzes. Die GAL-Fraktion ist der Meinung, dass die Einrichtung und der Betrieb von WLAN-Netzen ausschließlich eine privatwirtschaftliche Aufgabe ist.

Familie im Zentrum (FiZ): Hat Bezirksstadtrat Gerhard Hanke (CDU) Senatsgelder verschenkt?

Eine Dringlichkeitsanfrage der SPD-Fraktion sorgte für eine über 2-stündige Debatte in der BVV: Hat das Bezirksamt bewusst Anträge bestehender FiZe zur finanziellen Förderung über ein Senatsprogramm blockiert und stattdessen eine Regelfinanzierung über den Bezirkshaushalt zugesagt? Der Vorwurf wiegt schwer. Wenn dem so ist, hat Bezirksstadtrat Gerhard Hanke (CDU) genau 120.000 Euro zur Finanzierung der drei seit mehreren Jahren bestehenden FiZe verschenkt und den Bezirkshaushalt mit dieser Summe belastet.

Die FiZe sind Einrichtungen in Gebieten mit einem besonderen Entwicklungsbedarf. Ziel der Arbeit ist u. a., ein generationsübergreifendes, soziales Miteinander und Anlaufpunkte für Familien zu schaffen, Beratungsangebote zu schaffen und Hilfe zu Selbsthilfe zu organisieren. Die seit Jahren bestehenden Spandauer FiZe liegen in der Westerwaldstraße, der Wasserwerkstraße und im Räcknitzer Steig. Die Modellfinanzierung des Berliner Senats läuft Ende des Jahres aus. Mit dem Programm „Aufbau der Berliner Familienzentren“ setzte sich die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Mitte 2012 für den Erhalt und Ausbau der FiZe ein.

Doch dann stellte sich heraus, dass sich eine finanzielle Unterstützung 2012 und 2013 nur auf neue FiZe beschränkt (zwei pro Bezirk). Die bestehenden FiZe müssten ihre Arbeit entweder einstellen oder aus dem Bezirkshaushalt finanziert werden. Bei der Verabschiedung des Bezirkshaushaltes wurden für 2012/13 bereits 120.000 Euro aus Bezirksmitteln eingestellt, um die Arbeit der bestehenden FiZe weiterzuführen.

Die SPD-Fraktion erklärte in der Diskussion, dass auch die bestehenden FiZe bei einer Konzeptänderung in den Genuss der Förderung hätten kommen können. Hierüber habe der zuständige Bezirksstadtrat Gerhard Hanke (CDU) jedoch nicht informiert, sondern eine Finanzierung aus dem Bezirkshaushalt versprochen. Dadurch habe der Stadtrat 120.000 Euro verschenkt, so die SPD-Fraktion.

Der Bezirksstadtrat wies den Vorwurf zurück. In den Gesprächen mit der Senatsverwaltung sei immer wieder deutlich geworden, dass nur zwei neue FiZe pro Bezirk förderfähig seien.

Ein Blick in die Förderrichtlinien der Senatsverwaltung schafft nur wenig Klarheit. Unter Punkt 1.3 „Zuwendungszweck“ heißt es: „In den Jahren 2012 und 2013 stehen Mittel für mindestens zwei Familienzentren pro Bezirk in Berlin zur Verfügung. … Unter Berücksichtigung der vorhandenen Angebotsstruktur in den Bezirken werden ausschließlich zusätzliche Angebote gefördert.“

 Doch was ist ein „zusätzliches Angebot“? Unter Punkt 3.1 „Fördervoraussetzungen“ steht: „Weitere Voraussetzung für die Förderung ist die Zusätzlichkeit der beantragten Angebote. Die Voraussetzung der Zusätzlichkeit ist insbesondere dann erfüllt, wenn ein Nachweis über die Schaffung eines neuen Angebotes oder weiterer Leistungen erfolgt.“

(Quelle: http://www.berliner-familienzentren.de/berliner-familienzentren/content/e918/e4008/FoerderleitlinieBerlinerFamilienzentren.pdf )

Aus Sicht der GAL-Fraktion war während der BVV-Diskussion keine eindeutige Klärung möglich, ob der Vorwurf der SPD-Fraktion berechtigt war.

Berufung der Mitglieder für den Migrations- und Integrationsbeirat gescheitert

Die im Integrationsausschuss am 22. Oktober 2012 mehrheitlich beschlossene Liste der Mitglieder desMigrations- und Integrationsbeirats konnte während der BVV nicht verabschiedet werden. Mit den Stimmen von SPD, GAL und Piraten fand sich zwar eine deutliche Mehrheit. Allerdings stimmte auch ein befangener Bezirksverordneter mit, so dass die Abstimmung ungültig war.

Die CDU-Fraktion lehnt die von GAL und SPD vorgeschlagene Mitgliederliste ab. Eine von ihr unterstützte Organisation wurde aufgrund zahlreicher an sie gerichteter kritischer und nicht beantworteter Fragen als stimmberechtigtes Mitglied nicht berücksichtigt.

Beschluss zur Förderung freier Träger zurück im Jugendhilfeausschuss

Der im Jugendhilfeausschuss (JHA) am 23. Oktober 2012 gefällte Beschluss, zur Förderung freier Träger zusätzlich mehr als 250.000 Euro im Bezirkshaushalt bereitzustellen, wurde in den JHA zurück überwiesen. Die CDU-Fraktion hatte sich im JHA mit ihrem Vorschlag durchgesetzt, freie Träger mit mehr Geld als vorhanden zu fördern. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben sind im JHA auch stimmberechtigte Träger vertreten, sodass die Mehrheiten in der BVV nicht widergespiegelt werden. Auf Antrag der GAL überwies die BVV den Antrag zurück in den JHA. Die GAL bezeichnete den CDU-Vorschlag als unverantwortlich und rechtlich nicht zulässig.

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Wahlperioden verwiesen die CDU-Fraktion und Bezirksstadtrat Gerhard Hanke (CDU) immer wieder auf die Bedeutung der präventiven Arbeit. Insbesondere die Wochenendöffnung verschiedener Einrichtungen müsse erhalten werden. Die Aussagen des Stadtrates, dass man anfangen müsse, „mehr Präventionsarbeit zu leisten, mehr Kids von der Straße zu holen, damit sie nicht zu Fällen werden“ kommentierte die GAL-Fraktion mit der Aussage „vom Saulus zum Paulus“.

Die GAL-Fraktion wird in einer Sondersitzung des JHA den Änderungsantrag einbringen, dass das Bezirksamt prüfen soll, inwieweit die zusätzlichen 250.000 Euro aus dem Geschäftsbereich des zuständigen CDU-Stadtrates erbracht werden können.

Lärmbelästigung durch feiernde Muslime? Debatte über Aussagen der Berliner Polizei

Zum Schluss der Tagesordnung entwickelte sich eine Debatte über die Vorlage des Bezirksamtes zum Antrag „Grillplätze für Spandau“. Das Bezirksamt hatte der Vorlage die Antwort eines Mitarbeiters der Direktion 2/Abschnitt 21 auf eine Anfrage von Bezirksstadtrat Carsten Röding (CDU) „hinsichtlich einer Grillgenehmigung für den Koeltzepark“ beigefügt. In der Debatte wurden Aussagen im Brief von GAL- und SPD-Fraktion als „diffamierend“ und „diskriminierend“ sowie als Ausdruck eines „strukturellen Rassismus“ kritisiert.

Die Debatte hat eine längere Vorgeschichte. In Spandau ist das Grillen in allen öffentlichen Grünanlagen verboten. Hierin unterscheidet sich Spandau von den meisten anderen Berliner Bezirken. Aktuell ist das Grillen in 7 Bezirken auf 15 öffentlichen Flächen erlaubt. Hinzu kommen 3 Grillplätze auf dem Geländes des ehemaligen Flughafens Tempelhof.

In der vergangenen Wahlperiode gab es Versuche von SPD und GAL, geeignete öffentliche Flächen auch in Spandau zum Grillen freizugeben. Die damalige BVV-Mehrheit aus CDU, FDP und Panthern lehnte diese Vorstöße ab. Im Mai 2012 stellte die SPD-Fraktion den Antrag, eine Teilfläche im Koeltzepark zum Grillen freizugeben. Hierüber wurde im zuständigen Ausschuss für Natur-, Umweltschutz und Grünplanung (NUG) am 22. August 2012 beraten. Bereits am 25. Mai 2012 hatte sich das Büro des Bezirksstadtrates Carsten Röding(CDU) mit einer E-Mail an die Direktion 2/Abschnitt 21 gewandt und offenbar um eine Stellungnahmezum Antrag gebeten. Die E-Mail des Stadtratsbüros liegt den Fraktionen von SPD und GAL leider nicht vor.

In der Sitzung des NUG-Ausschusses am 22. August zitierte Bezirksstadtrat Carsten Röding (CDU) aus dem Antwortschreiben der Polizei und wies auf die darin geäußerten Sicherheitsbedenken hin. Das Antwortschreiben wurde weder vollständig verlesen noch an die Mitglieder des Ausschusses verteilt. Im Verlauf der Diskussion wurde dann ein geänderter Antrag von der Mehrheit aus SPD und GAL verabschiedet. Das Bezirksamt bekam den Auftrag, für das Grillen geeignete Flächen in Grünanlagen aller Spandauer Ortsteile zu benennen. Der Koeltzepark wird im geänderten Antrag nicht mehr genannt.

Aus der Vorlage des Bezirksamtes wird deutlich, dass Bezirksstadtrat Carsten Röding (CDU) dem Wunsch der BVV-Mehrheit nicht folgen will. Mit der Veröffentlichung der BVV-Unterlagen erhielten die Spandauer Bezirksverordneten erstmals Kenntnis von Teilen des konkreten Wortlauts des Polizei-Antwortschreibens. Der erste Absatz des Antwortschreibens ist jedoch geschwärzt.

Die Fraktionen von GAL und SPD kritisierten in der Debatte folgende Textpassagen:

„Es ist bei entsprechenden islamischen Festen davon auszugehen, dass sich eine Vielzahl von Menschen im Park einfinden wird, um diese Feste zu begehen. Diese Feste enden erfahrungsgemäß auch nicht analog der Lärmschutzzeiten, so dass sich aus polizeilicher Sicht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit ergibt, dass polizeiliche Einsätze nötig werden.Spricht sich herum, dass man in Spandau in einem Park grillen kann, ist davon auszugehen, dass der Park auch über die Bezirksgrenzen hinaus Anklang finden wird.“

Eine weitere Formulierung des Briefes bezieht sich auf sozial benachteiligte Menschen:

„Auch sozial schwache Gruppen aus der Neustadt werden den Park gerne zum gemeinsamen Grillen nutzen. Einhergehend mit Alkoholkonsum sind eine Vielzahl von Polizeieinsätzen wegen Lärm, Schlägereien bzw. Geruchsbelästigungen vorherzusehen. Der ohnehin schon von „Problemjugendlichen“ frequentierte Park, in dem sich in der Vergangenheit schon mehrfach Sachbeschädigungen ereignet haben, wird durch die vermehrte Nutzung von Grillern weiter in Mitleidenschaft gezogen.“

Auf Antrag der GAL-Fraktion werden sich der Integrationsausschuss und der Ausschuss für zentrale Aufgaben in einer gemeinsamen Sitzung mit den Aussagen beschäftigen. Hierzu soll auch die Berliner Polizei eingeladen werden.

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