Die Diskussionen in der Novembersitzung der Spandauer BVV haben die grundsätzlichen politischen Unterschiede von der CDU auf der einen und von GAL, SPD und dem Einzelverordneten der Linken auf der anderen Seite besonders deutlich gemacht. Bei Themen wie der Ehrung des von Nationalsozialisten 1933 ermordeten Erich Meier oder dem Asylrecht zeigte sich auf Seiten der CDU ein gegensätzliches Menschenbild. Manche Äußerungen des CDU-Fraktionsvorsitzenden Arndt Meißner über Flüchtlinge waren nur schwer erträglich.
Die gemeinsam mit anderen Parteien eingebrachten Anträge zur Unterbringung von Asylbewerberinnen und -bewerbern und zur Aufnahme des Todestages Erich Meiers in den Kalender der bezirklichen Gedenktage wurden angenommen. Die von der GAL-Fraktion allein gestellten Anträge zur Wahrung des Grundrechts auf Asyl und zur Anbringung von Pfandflaschenbehältern an BSR-Papierkörben wurden ebenfalls angenommen. Die übrigen GAL-Anträge wurden in die Ausschüsse überwiesen.
Bezirk würdigt Erich Meier
Seit Jahren organisiert das Spandauer Bündnis gegen Rechts am Todestag Erich Meiers eine Gedenkveranstaltung, an der auch Zeitzeugen und Weggefährten teilnehmen. Erstmals wird der Todestag des von den Nationalsozialisten am 10. März 1933 ermordeten Spandauers Erich Meier auch vom Spandauer Bezirksamt würdig begangen. Einem entsprechenden Antrag der Fraktionen von GAL, SPD und Piraten sowie dem Einzelverordneten der Linken stimmte die BVV zu. Darüber hinaus wird Erich Meiers Todestag künftig in den Kalender der bezirklichen Gedenktage aufgenommen.
Die CDU-Fraktion begründete ihre Ablehnung u. a. damit, dass Erich Meier als Gegner der Weimarer Republik keine Vorbildfunktion habe und als Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KJVD) für eine radikale Politik stand. Die GAL-Fraktion widersprach der Ansicht, dass Erich Meier keine demokratischen Prinzipien hatte und forderte, dass er als eines der ersten NS-Opfer in Spandau endlich die ihm zustehende Würdigung erfahren müsse. Eine Gedenktafel aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, auf der neben Erich Meier mehreren anderen Antifaschisten gedacht wurde, wurde zu einem nicht mehr bekannten Zeitpunkt vom Spandauer Rathaus entfernt und ins Heimatmuseum auf der Zitadelle verlagert.
Auch die SPD-Fraktion und der Einzelverordnete der Linken betonten, dass der Name Erich Meier für Demokratie sowie für Humanismus steht.
Spandau widerspricht Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes zum Asylrecht
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatte am 13. November 2012 in einer Pressemitteilung gefordert, die Visapflicht für Menschen aus dem Balkan wiedereinzuführen, die Asylverfahren deutlich zu beschleunigen und die Residenzpflicht für Asylbewerberinnen und -bewerber beizubehalten.
Die GAL-Fraktion teilt diese Ansichten nicht und stellte den Antrag, dass sich das Bezirksamt bei den zuständigen Stellen für eine unvoreingenommene, individuelle Prüfung aller Asylanträge und die Aufhebung der Residenzpflicht einsetzt. Hintergrund ist, dass für Asylbewerberinnen und -bewerber aus Balkanländern derzeit nur wenige Stunden dauernde Schnellverfahren durchgeführt werden. In so kurzer Zeit kann eine individuelle Verfolgung nicht geprüft werden. Stattdessen gehen die Behörden davon aus, dass die politische Verfolgung von Menschen auf dem Balkan grundsätzlich ausgeschlossen ist. An der Richtigkeit dieser Einschätzung hat die GAL-Fraktion erhebliche Zweifel, insbesondere was die Situation der Roma auf dem Balkan betrifft.
Die CDU-Fraktion begründete ihre Ablehnung mit Zitaten aus einer Stellungnahme von Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich, die von der Spandauer CDU-Fraktion „uneingeschränkt geteilt“ werden. Demnach gehöre die Visafreiheit für Serbien und Mazedonien auf den Prüfstand, die Aufhebung der Residenzpflicht würde die Großstädte stärker belasten und „Wirtschaftsflüchtlinge“ seien schnell zurückzuführen.
Die GAL-Fraktion kritisierte die Erklärung des Bundesinnenministers mit Blick auf die Situation der in Südosteuropa lebenden Roma, die darüber hinaus am Tag der Eröffnung des Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma veröffentlicht wurde. Die individuelle Prüfung der Asylanträge von Roma ist zwingend erforderlich. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Roma eine ethnische Gruppe sind, die Diskriminierungen ausgesetzt ist. Die SPD-Fraktion kritisierte die „Härte und Kälte“ der CDU-Fraktion und betonte, dass es sich bei den Flüchtlingen um Menschen handelt.
Der Antrag der GAL-Fraktion wurde mit den Stimmen von GAL, SPD, Piraten sowie dem Einzelverordneten der Linken angenommen.
Pfandflaschenbehälter für BSR-Papierkörbe
Auch in Spandau sind immer mehr Menschen darauf angewiesen, in Papierkörben nach Essbarem zu suchen oder durch das Sammeln von Pfandflaschen ihr Einkommen aufzubessern. Der Griff in die Papierkörbe ist nicht ungefährlich. Darüber hinaus hält der für die Grünanlagen zuständige CDU-Bezirksstadtrat an der Meinung fest, dass Papierkörbe als Entsorgungsstelle für gefüllte Hundekottüten geeignet sind. So wurde im Sommer im Hohenzollernpark zwar ein Tütenspender installiert, nicht aber ein spezieller Abfallbehälter.
Die GAL-Fraktion beantragte daher in Anlehnung an einen ähnlichen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen in Charlottenburg-Wilmersdorf, dass im Rahmen eines Modellprojektes BSR-Papierkörbe mit einem Aufsatz für leere Flaschen ausgestattet werden sollen. Der Antrag der CDU-Fraktion auf Ausschussüberweisung fand keine Mehrheit. Mit den Stimmen der Fraktionen von GAL, SPD und Piraten sowie dem Einzelverordneten der Linken wurde der Antrag direkt angenommen.
Beteiligung Spandaus am Tag der Menschenrechte
Spandau wird sich künftig direkt oder in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnerinnen und -partnern wie z. B. dem Evangelischen Kirchenkreis Spandau am Tag der Menschenrechte (10. Dezember) beteiligen. Der Antrag der SPD-Fraktion wurde von allen Fraktionen und dem Einzelverordneten der Linken unterstützt.
350 Interessierte warten auf Musikschulplatz
In diesem Jahr konnten 120 neue Musikschulinteressierte an der Spandauer Musikschule neu aufgenommen werden, 350 stehen aber noch immer auf der Warteliste. Dies ergab die Antwort auf eine Anfrage der GAL-Fraktion. Die durchschnittliche Wartezeit liegt damit bei etwa drei Jahren. Für einen schnellen Abbau der Warteliste seien zusätzliche Honorarmittel für die Lehrkräfte von 500.000 Euro erforderlich, erklärte der zuständige Bezirksstadtrat.
Planungen zum Landschaftspark Gatow ohne Beteiligung des Bezirksamtes
Ungeachtet aller Kritik von GAL, BVV und Naturschutzverbänden halten die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt sowie der Bund an ihren überholten Plänen zum Bau des Landschaftsparks Gatow fest. Die Planungen für den ehemaligen Schießplatz an der Potsdamer Chaussee sind in eine neue Runde gegangen. Mit einem Interessenbekundungsverfahren lotet die Senatsverwaltung die Möglichkeiten für einen kommerziell betriebenen Klettergarten aus.
Auf Anfrage der GAL-Fraktion teilte das Bezirksamt mit, dass es hierüber lediglich informiert, in die Planungen aber nicht einbezogen wurde. Noch im Juni 2012 habe das Bezirksamt ein nichtkommerzielles Angebot für Jugendliche auf dem Schießplatzgelände als Kompensation für fehlende Freizeitmöglichkeiten im Spandauer Süden gefordert. Über die Nichtbeteiligung sei das Bezirksamt, „nicht glücklich“, so der zuständige Bezirksstadtrat.
Die GAL-Fraktion hat kritisiert, dass die Planungen von Senat und Bund unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und über die im von der GAL kritisierten Siegerentwurf genannten Planungen sogar noch deutlich hinausgehen. Darüber hinaus schließen die in der Region üblichen Eintrittspreise für Kletterparks einen Großteil der Kinder und Jugendlichen von einer Nutzung aus. Die Wiesenlandschaft zwischen dem ehemaligen Flugplatz und dem Schießplatz Gatow ist Lebensraum zahlreicher gefährdeter Tier- und Pflanzenarten.
Jobcenter Spandau kritisiert Ärzte
Das Jobcenter Spandau hat in einem Schreiben auf eine Anfrage der GAL-Fraktion die Krankschreibungen von Leistungsempfängerinnen und -empfängern als „Unterstützung durch freigiebige Ärzte“ kritisiert. Die GAL-Fraktion wollte wissen, wie das Jobcenter Spandau Vorladungen von Leistungsempfängerinnen und -empfängern trotz deren Krankschreibung begründet und auf welcher rechtlichen Grundlage über die Krankschreibung hinaus eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden muss. Ohne die Bescheinigung ist eine Leistungskürzung bei Nichterscheinen trotz Krankschreibung möglich.
Die GAL-Fraktion hat die Einladungspraxis des Jobcenters deutlich kritisiert. Auf ihre Anregung hin soll das Thema im Sozialausschuss sowie in der Trägerversammlung, deren Vorsitzender Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank ist, behandelt werden.
CDU-Fraktion stigmatisiert ALG-II-Empfängerinnen und -empfänger
Als „Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen“ und Zeichen einer „verzerrten Wahrnehmung“ hat die GAL-Fraktion Äußerungen der CDU über den Zuzug von ALG-II-Empfängerinnen und -empfängern nach Spandau bezeichnet. Entscheidend ist nicht die Frage, ob eine Spandauerin oder ein Spandauer ALG II bezieht, sondern wie deren Perspektive ist, den Lebensunterhalt wieder durch eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu bestreiten. Anlass war eine Anfrage der CDU-Fraktion über konkrete Zuzugszahlen sowie deren Auswirkungen auf die Sozialstruktur des Bezirks.
Die Diskussion entstand, nachdem das Bezirksamt erklärt hatte noch keine konkreten Zahlen für 2012 angeben zu können. Das Jahr sei noch nicht zu Ende. Daraufhin warf die CDU dem Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank vor, die Veränderungen im Bezirk nicht wahrzunehmen und bezeichnete den Zuzug nach Spandau als „problematisch“. Schon in der Vergangenheit hatte sich die CDU abfällig über Spandauer ALG-II-Bezieherinnen und -Bezieher geäußert.
Kritik an Vernachlässigung der Sportanlage Grüngürtel
Umkleidekabinen und Sanitäranlagen der Sportanlage Grüngürtel sind seit Jahren in einem inakzeptablen Zustand. Lediglich 17 von 40 Duschen sind nutzbar. Schimmel und Verkalkung führen dazu, dass viele Eltern ihren Kindern das Duschen dort verboten haben. Die Anlage wird jede Woche von 41 Vereinen genutzt. Auf Anfrage der GAL-Fraktion teilte das Bezirksamt mit, dass es die Situation ebenfalls als „misslich“ ansehe. Die Anlage müsse von Grund auf neu erbaut werden.
Doch auf Nachfrage der GAL-Fraktion, warum seit Jahren so wenig zur Verbesserung der wichtigsten und am stärksten genutzten Sportanlage Spandaus getan werde, blieb der zuständige Bezirksstadtrat Gerhard Hanke (CDU) eine überzeugende Antwort schuldig. Stattdessen verwies er auf die geringen Sanierungsmittel, die dem Bezirk zur Verfügung stehen und nannte andere Sportanlagen, die in den vergangenen Jahren modernisiert bzw. neu gebaut wurden. Zu einer konkreten Aussage, wann mit einer Sanierung am Grüngürtel gerechnet werden kann, war er nicht in der Lage. Die GAL-Fraktion kritisiert, dass das Bezirksamt seit Jahren die regelmäßige Instandhaltung der Sportanlagen vernachlässigt. Als Folge diese Nicht-Handelns sind umfassende, kostspielige, Sanierungen oder sogar Neubauten von Sportanlagen erforderlich.
Bildungsstadtrat mit Wissenslücken
Die Besprechung der schriftlichen Antwort einer Anfrage zur Stadtbibliothek offenbarte erhebliche Wissenslücken bei Bildungsstadtrat Gerhard Hanke (CDU). Insbesondere der Aussage, dass es zwischen 2006 und 2010 keine Spenden von druckfrischen Büchern gegeben habe, wurde von Bezirksverordneten widerlegt. Auch die Aussage, dass sich Bücherspenden nicht positiv auf den Medienerwerbsetat auswirken, ist sachlich unvollständig. Durch den Verkauf werden Gelder für den Medienerwerb eingenommen.
Erst auf Nachfrage der GAL-Fraktion erklärte der Bezirksstadtrat, dass gespendete Bücher seit Einführung des automatisierten Ausleih- und Rückgabeverfahrens nicht mehr mit dem Aufkleber „Leserspende“ gekennzeichnet werden. Im Ausschuss für Bildung und Kultur hat das Bezirksamt hierüber leider zu keinem Zeitpunkt informiert.
Weiterhin unzutreffende Äußerungen der CDU-Fraktion zur Förderung freier Träger
Die CDU-Fraktion setzt ihre Kampagne gegen die rot-grüne Zählgemeinschaft auf Kosten der freien Jugendhilfe-Träger fort. Anlass ist die Ablehnung einer Beschlussempfehlung des Jugendhilfeausschusses zur Förderung der Träger durch die BVV-Mehrheit von GAL, SPD und dem Einzelverordneten der Linken. Der Jugendhilfeausschuss, dessen Zusammensetzung aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht die BVV-Mehrheitsverhältnisse widerspiegelt, hatte einen von der CDU initiierten und vom zuständigen CDU-Bezirksstadtrat vehement unterstützten Beschluss gefasst, die freien Träger mit einer deutlich höheren Summe als im Bezirkshaushalt vorgesehen zu fördern. Da die CDU keine realistischen Vorschläge machte, an welcher Stelle die zusätzlich erforderlichen mehr als 250.000 Euro eingespart werden sollen, lehnte der Haushaltsausschuss die Empfehlung des Jugendhilfeausschusses ab.
Vertreterinnen von SPD und GAL begründeten in der BVV am 28. November erneut die Ablehnung. Kritisiert wurde von der SPD u. a., dass der absehbare und unbestrittene Mehrbedarf während der Haushaltsberatungen im März 2012 weder vom Jugendhilfeausschuss noch von der CDU-Fraktion thematisiert wurde. Trotz der Sparvorgaben gelang es der rot-grünen Zählgemeinschaft, den Betrag zur Förderung freier Träger konstant zu halten.
Die GAL-Fraktion bezeichnete die Aussagen der CDU als „nicht seriös“. Die Mittel zur Förderung freier Träger stehen wie im Doppelhaushalt 2012/13 beschlossen zur Verfügung. Abgelehnt werde aber die geforderte Erhöhung zu Lasten anderer Abteilungen, da Vorschläge zur Re-Finanzierung weder vom zuständigen Bezirksstadtrat Gerhard Hanke (CDU) noch von der CDU-Fraktion vorgelegt werden. Der von der CDU erhobene Vorwurf der „Kürzung“ ist daher unwahr.
Die Leidtragenden der CDU-Kampagne sind die freien Träger der Jugendhilfe sowie deren Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Sie gehen ohne Planungssicherheit ins neue Jahr und stehen ab dem 1. Januar 2013 ohne Geld da. Für diesen Zustand sind der zuständige CDU-Bezirksstadtrat sowie die CDU-Fraktion verantwortlich.